Multiple Sklerose
Im Rhythmus der Männlichkeit
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems und die zweithäufigste neurologische Erkrankung jüngerer Erwachsener. Auf der körperlichen Ebene zeichnet sich die Krankheit durch zwei wesentliche Merkmale aus. Zum einen treten im Gehirn und im Rückenmark verstreut Entzündungen auf und zum anderen zeigen die neuesten Untersuchungen, dass es zu einer zellulären Schädigung und gänzlichen Untergang der Axone kommt. Ohne jetzt weiter auf die formale Logik einzugehen, könnten wir uns aus systemischer Sicht fragen, was die Analogie zu dieser Krankheit ist.
Körperliche und seelische Störungen bedeuten für jeden Einzelnen, dass er schon zu viele und massive Kränkungen, Enttäuschungen, Ungerechtigkeiten, Niederlagen und vieles mehr „geschluckt“ hat – um des „lieben Friedens wegen“ oder selbstauferlegtem „social Correctness“. Wiederholen sich diese Kränkungen und Verletzungen jedoch, reagieren wir mit psychischer und körperlicher Krankheit. Doch von welchen Kränkungen und Verletzungen und vor allem von welchen zwischenmenschlichen Beziehungen wird der MS-Erkrankte dominiert? Unter welchem Druck und unter welcher Person sehen wir uns gezwungen, nachzugeben oder zu fliehen? Wem gegenüber hat der MS-Erkrankte das Gefühl, sich nicht angemessen wehren zu können und stattdessen mit einer gegen sich selbst gerichtete, oftmals unbewussten Wut, Verachtung und Selbstentwertung „deaktiviert“ oder in der Sprache der Mediziner „die Axone demylisiert“?
Ein Schlüsselreiz von MS
Auf die Frage, von welchen Kränkungen und Verletzungen und vor allem von welchen zwischenmenschlichen Beziehungen der MS-Erkrankte dominiert wird, antworte ich dann mit dem Hinweis, dass alle MS-Erkrankte, die ich beraten dürfte, von Konflikten in ihrer Kindheit mit der Art und Weise ihres Vaters berichteten, die sich später im Erwachsenendasein in Beziehungskonflikten mit Männern, ob in der Partnerschaft oder im Beruf, wiederholten. Konflikte, an die sie sich zwar gewöhnt hätten, die ihnen aber in der Wiederholung, wie ein Schlüsselreiz, das (Zusammen-)Leben jetzt plötzlich schwerer machen.
Deshalb auch der Titel meines neuen Buches: „MS – Im Rhythmus des Männlichkeit“ oder einige meiner Teilnehmer selbst ausdrückten „In der Tyrannei der Männlichkeit“. Angefangen hat es mit dem Vater, der ihre emotionalen Belastungsgrenzen überschritten hatte, und weiterging mit dem Lebenspartner oder dem Geschäftsführer, die „wieder“ ihre emotionalen Grenzen überschritten. Ein Schlüsselreiz im täglichen Miteinander, der die negativen Gefühle der Enttäuschungen durch das dominante und egoistische Verhalten des Vaters aus der Kindheit im Alltag mit dem Partner „Du sprichst wie mein Vater!“ aufrüttelt. Oder die „unverdauten“ Niederlagen in den vielen kleinen und großen Machtkämpfe mit dem Vater, die in der täglichen Auseinandersetzung mit dem Abteilungsleiter, nicht mehr angemessen verarbeitet werden können und zu einer „aggressiven Deaktivierung“ im Körper führen. Als Konsequenz aus meiner Antwort begannen meine Klienten neu zu begreifen, dass sie sich in dem „Moment des Geschehens“ mental richtig positionieren können.
Eine Frage der Genetik?
Als mögliche Ursache von MS und anderen komplexen Krankheiten werden immer wieder genetische Ursachen betont. Hierzu werden gerne die Forschungsdaten eineiiger Zwillinge zitiert, die bekannterweise über gleiches genetisches Erbmaterial verfügen. Die Daten zeigen, dass bei betroffenen eineiigen Zwillingen etwa 20-30 Prozent beide Geschwister die Krankheit haben. Oder die Tatsache, dass MS bei Frauen vorherrschender ist als bei Männern (4 : 1) zeigt ebenfalls die Rolle, die Gene in der MS spielen. Somit besteht wenig Zweifel, dass es einen genetischen Faktor bei der MS gibt, und es ist wahrscheinlich, dass nur bei genetisch empfänglichen Personen die Möglichkeit besteht, die Krankheit zu bekommen.
Doch die Daten legen auch überzeugend dar, dass Genetik kein Fallgesetz ist, wie der Apfel fällt nach unten – sonst müssten 100 Prozent der eineiigen Zwillinge erkrankt sein, wenn es ein Geschwister hat. Obwohl eineiige Zwillinge „genetisch zu 100 Prozent programmiert“ sind, bekommen 70 bis 80 Prozent der Geschwister MS nicht. Dies zeigt, dass es mindestens einen vorherrschenden äußeren Faktor geben muss, der dafür verantwortlich ist, dass eine genetisch empfängliche Person tatsächlich betroffen wird.
Er muss so allgemein sein, dass er nahezu überall auf der Erde vorkommt, aber gleichzeitig muss er sehr spezifisch sein, so dass nur die Hälfte oder weniger der empfänglichen Personen von ihm betroffen werden. Dies sind sehr wichtige Eingrenzungen bezüglich der Deutung des äußeren Faktors, der als "letztendliche Ursache der MS" betrachtet werden kann.
Die letztendliche Ursache von MS
Welcher äußere Faktor ist so allgemein, dass er nahezu überall auf der Erde vorkommt? Welcher äußere Faktor ist gleichzeitig so individuell, dass bei weniger als 20 Prozent der Personen, die genetisch in der Lage sind, MS zu bekommen, die Krankheit tatsächlich ausbricht?
Der Mensch kann nicht nicht kommunizieren, und im kommunizieren kann er in Schwierigkeit geraten. So kann festgestellt werden: Kommunikation führt zu Mitkopplung (Selbstbegrenzung) oder zu Gegenkopplung (Selbstverstärkung) menschlichen Verhaltens. Der äußere Faktor, der so allgemein und gleichzeitig so individuell ist, ist demnach unsere Kommunikation mit uns selbst im sozialen Umfeld – eine fortdauernde Kommunikation sozialer Systeme. Damit sind chronische Krankheiten, falsche Ernährung, Genussmittelmissbrauch, mangelnde Bewegung und psychosozialer Stress Regulationsstörungen einer Kommunikation sozialer Systeme.
Das größte Leid fügt sich der Mensch selbst zu.
Wir sehnen uns nach einem Leben in Freude, Frieden, Leichtigkeit, Harmonie und Gesundheit. Aber wie kommen wir dorthin? Viele glauben immer noch, es sei entweder das Schicksal, Pech oder Zufall, oder es seien unsere Mitmenschen oder unsere Eltern, die unser Leid verursachen. Das ist jedoch ein Irrtum. Denn das schaffen wir ganz allein. Wir werden als Kind kritisiert, herabgesetzt und nicht ernst genommen. Als Reaktion darauf übernehmen wir solche Gedanken über uns und verurteilen uns systematisch selbst. So wird die chronische Selbstverurteilung zur ersten Ursache für chronische Autoimmunerkrankungen.
Schöpfer unseres Leidens – Wir Selbst
Zugleich sagt uns niemand in der Kindheit, dass wir großartige Schöpfer sind, die mit ihren Gedanken, Worten und Handlungen ihre Lebenswirklichkeit erschaffen. Also beginnen wir schon früh, unbewusste Schöpfer unseres Leidens zu werden und viele bleiben es ein Leben lang. Damit wird Unbewusstheit zur weiteren Ursache für Leid und Krankheit. Der “Normalmensch” weiß nicht, was er tut, wenn er jeden Tag Gedanken in die Welt schickt, mit denen er sich selbst, andere und das Leben verurteilt.
Die Verurteilung anderer ist bei uns der “Volkssport Nummer eins”, weil es jeder von der Pike auf gelernt hat. Wir sehen unsere Rolle als Schöpfer nicht und glauben, die anderen wären schuld an unserem Schicksal. So entsteht in uns das Bewusstsein eines “Opfers”.
Durch unsere vielen Gedanken erzeugen wir eine Menge an Emotionen, allen voran Angst, Trauer, Wut, Ohnmacht, Scham, Schuld und andere. Niemand erklärt uns jedoch, dass diese Gefühle erstens unsere eigenen Schöpfungen sind und dass wir sie zweitens selbst bejahend fühlend verwandeln können. Darum lehnen wir sie ab, wollen sie weg haben und verdrängen sie systematisch. Diese Emotionen (E-Motions = sich bewegende Energie) können dadurch unseren Körper nicht verlassen, sondern setzen sich in ihm fest und sind zunächst in Form unangenehmer Empfindungen wie Enge, Druck, Spannung, Brennen, Kälte, Starre, Steifheit u.a. zu spüren. Werden diese Symptome weiter ignoriert, werden hieraus Krankheiten.
Ständig unterdrückte, verdrängte Emotionen sind die erste Ursache aller Krankheiten, auch wenn die herkömmliche Medizin das noch nicht begriffen hat.
Und genau in diesem Punkt hat sich das ZNS entzündet. An Entwicklung eines starken Selbst war nicht zu denken. Im Gegenteil, wir sind in der Art und Weise, wie sich andere Familienmitglieder uns gegenüber verhalten haben und von uns Nachfolge gefordert haben, nicht aufgegangen, sondern untergegangen. Wie die Axone in unserem Körper untergehen. Abgeschlagen im eigenen Lebenslauf, weil unser Selbst nicht gefördert sondern gefordert wurde.
Und so finden wir uns in unserem späteren Leben laufend in Lebensumständen und in Partnerschaften wieder, die uns nicht fördern sondern von uns Nachfolge fordern. Erst wenn wir diese emotionalen Umstände unserer Hintergrundkulisse erkennen und ein starkes Selbst leben lernen, haben wir die größtmögliche Chance, uns von diesem Krankheitsbild zu lösen. Meine Bewunderung gehört der Frau, die nach der eindeutigen Diagnose von MS, ihr Leben augenblicklich geändert hatte und fortan so lebte, wie sie es selbst wollte. Zwei Jahre später ergab eine Lumbalpunktion, dass sie keine Multiple Sklerose mehr hatte. Kommen wir noch ein letztes Mal auf die formale Logik zurück. MS ist keine klassische Erbkrankheit, ist nicht ansteckend und nur selten tödlich. Damit liegt kein Defekt-Symptom, sondern ein Prozess-Symptom vor, und einen Prozess kann man bekanntlich verändern.