Das Geheimnis einer guten Partnerschaft
Leicht sind Schilderungen über den Ehebruch zu finden, schwer dagegen Schilderungen von glücklichen real existierenden Partnerschaften. Entweder gibt es sie nicht, oder - weil irgendwie langweilig - kein geeigneter Gegenstand publikumswirksamer Aufmerksamkeit.
Doch es gibt genügend Anlass über das Geheimnis einer dauerhaften Partnerschaft zu sprechen: Trotz der bekannten Zahlen über Scheidung und des Geredes über Krise der Ehe lebten noch niemals in der Geschichte der Menschheit so viele Menschen mit ein und demselben Partner so lange zusammen wie heute. Wie gelingt es den Menschen, ein schnarchendes, schlechtgelauntes Wesen, das nicht nur sein Inneres, sondern - noch schlimmer- sein Äußeres verändert hat, dauerhaft zu lieben? Wie gelingt es, alle wirklich ernsthaften Hindernisse und auch die Ebbezeiten einer Partnerschaft immer und immer wieder zu überwinden? Welche Geheimnisse verbergen sich hinter der Dauerhaftigkeit einer Partnerschaft, die kaum noch Ähnlichkeit mit ihrer ursprünglichen Gestalt hat? Was wird in einer langandauernden Partnerschaft gemacht, gedacht, gefühlt und bewertet? Und was wird vor allem unterlassen?
Tanz der Liebe
Die erste Erklärung überrascht nicht: Es ist die Liebe. Aber nicht als ein Gefühl, wie viele fälschlicher Weise glauben, sondern als eine konsensuelle Koordination von Handlungen. Wie bei einem Tanz teilt das Paar alle Informationen miteinander - sowohl über die „da draußen“ als auch über das, was die beiden im Miteinander betrifft. Ein Tanz der Liebe, der sich eine eigene Welt erschafft und dieser Welt einen eigenen, unverwechselbaren Sinn gibt. Wenn der Tanz der Liebe als stark bezeichnet wird, sind die empfundenen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten keine große Belastung. Eben wie bei einem Tanz!
Dauerhafte Probleme
Sich einen dauerhaften Partner auszusuchen heißt, sich ein paar dauerhafte Probleme auszusuchen. Es zeigt sich, dass die Mehrheit der Paare ihre Konflikte nie löst. Aber für das Geheimnis einer guten Partnerschaft ist es gar nicht entscheidend, ob man Konflikte oder Probleme löst, sondern wie man sie - wenn auch meist vergeblich - zu lösen versucht. Die Lösung von Problemen in der Partnerschaft oder sogar in Paartherapien wird stark überschätzt oder ist sogar eine Illusion. Einigermaßen glückliche Paare versuchen, ihren Schwierigkeiten nicht durch Verletzungen und Verächtlichmachung zu begegnen, sondern mit Humor, Ablenkung, Respekt.
Vergeben und vergessen
Im Laufe einer Partnerschaft werden Hoffnungen enttäuscht, Ansprüche nicht erfüllt und so Schuld und Schulden angesammelt. Für diese Enttäuschungen und Kränkungen erwarten wir eine Ent-Schuldigung. Wir wollen, dass es gerecht zugeht. Doch die Idee der Gerechtigkeit ist eine der hartnäckigsten Illusionen (deshalb haben wir öfters einen harten Nacken!). Auf diesem Schlachtfeld um Recht, Gerechtigkeit und Ausgleich wird eine dauerhafte Partnerschaft zerstört. Das Geheimnis einer dauerhaften Partnerschaft entsteht vielmehr durch die Möglichkeit der Vergebung. Wer nicht vergibt, vergibt sein Leben bzw. seine Partnerschaft. Vergeben und Vergessen ist eine Friedensformel, hingegen die Haltung „Niemals vergessen“ eine Kampfparole ist.
Die positive Kraft
Weitverbreitet ist die Vorstellung, dass eine realistische Sichtweise für den Erfolg einer Partnerschaft gut sei. Doch eine wechselseitige Fehleinschätzung und Verkennen des Partners ist viel plausibler. Liebende zeigen sich zunächst von ihrer besten Seite. Dass diese Seite nicht die ganze Wirklichkeit ist, werfen sich die beiden später vor dem Scheidungsrichter vor. Die Desillusionierung ist vollkommen - und ist nicht wahrer als das erste Bild des Verliebtseins. Wenn man also einen Ratschlag geben mag, dann den: Denken Sie sich Ihren Partner schön und Glauben Sie an die positive Kraft der geschönten Wahrnehmung. Ein Teilnehmerin drückte das so aus: „Als ich zugenommen hatte, hat er gesagt, er mag dicke Frauen. Und als ich wieder abgenommen habe hat er gesagt, er mag schlanke Frauen. Irgendwann habe ich dann begriffen, dass er mich liebt.“
Das Leben geschieht
Ehepaare sind von Ratgebern und therapeutischen Hilfsangeboten umzingelt, die zur autonomen, selbstbestimmten Beziehungsgestaltung und sexuellen Verwirklichung nötigen. Jedes Scheitern muss man sich als Selbstmanagementfehler anlasten lassen. Dadurch vergessen wir, dass das Leben geschieht und nur gelegentlich gestaltet wird. Vielleicht ist ja auch gerade der Versuch, eine lebenslange Partnerschaft herstellen zu wollen, der glücklichen Partnerschaft abträglich.
(Quelle: Dr. Arnold Retzer, Leiter des Systemischen Instituts Heidelberg)